Defense & Security
Grundsatzrede von Präsidentin von der Leyen auf dem Philippines Business Forum
Image Source : Etienne Ansotte - EC - Audiovisual Service
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Defense & Security
Image Source : Etienne Ansotte - EC - Audiovisual Service
First Published in: Jul.31,2023
Aug.24, 2023
Meine Damen und Herren, es ist etwas ganz Besonderes für mich, in Manila zu sein und die berühmte philippinische Gastfreundschaft wieder einmal persönlich zu erleben. Bei jedem Besuch hier bin ich von der Wärme, der Intelligenz und der Ehrlichkeit der Menschen beeindruckt, mit denen ich zusammengetroffen bin. Sie sorgen dafür, dass sich jeder Gast zu Hause fühlt, auch 10 000 km von der eigenen Heimat entfernt. Während meines Besuchs in Ihrem schönen Land habe ich auch ein philippinisches Sprichwort gelernt. Es lautet: „Sei wie ein Reisstiel: Je mehr Körner er trägt, desto tiefer beugt er sich.“ Ich glaube, dass die Sprichworte eines Landes viel über seine Bevölkerung verraten. Und dieses Sprichwort beschreibt ganz sicher die Menschen auf den Philippinen: immer bescheiden, vor allem im Erfolg. Das Land erlebt derzeit einen Boom. Dank Ihrer Widerstandsfähigkeit, Ihrer Dynamik und Ihres Arbeitsethos ist Ihre Wirtschaft im vergangenen Jahr um fast 8% gewachsen. Die Philippinen gehören zu den am schnellsten wachsenden Schwellenländern. Wie Präsident Marcos dargelegt hat, stehen in Ihrem Entwicklungsplan die verantwortungsvolle Staatsführung, der Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Genehmigungen für strategische Investitionen, z. B. in erneuerbare Energien und Halbleiter, an oberster Stelle. Dadurch werden die Philippinen nicht nur zu einem noch attraktiveren Handelsplatz und Investitionsstandort für europäische Unternehmen, sondern philippinische Unternehmen beginnen auch, auf dem europäischen Markt zu florieren. So hat das Unternehmen IMI beispielsweise sein Mikroelektronikgeschäft ausgeweitet und steht inzwischen als Anbieter von Fertigungslösungen in Europa an vierzehnter Stelle. Oder betrachten wir das große philippinische Hafenumschlagsunternehmen ICTSI. ICTSI betreibt ein Containerterminal in der Adria und unterzeichnete kürzlich einen weiteren Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren für den Betrieb eines Ostseehafens. Es verdient auch Erwähnung, dass etwa 50 000 philippinische Seeleute auf Schiffen unter europäischer Flagge ihren Dienst versehen. Sie machen den Handel möglich. Ohne sich damit zu brüsten. Lassen Sie mich also zunächst allen philippinischen Bürgerinnen und Bürgern danken, die täglich zur Freundschaft und Wirtschaftspartnerschaft zwischen Europa und den Philippinen beitragen. Diese Beispiele veranschaulichen, wie stark die Beziehungen zwischen uns bereits heute sind. Nun ist aber die Zeit gekommen, unsere Partnerschaft auf die nächste Stufe zu heben. Denn wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten, als es die geografische Entfernung zwischen uns vermuten ließe. Ich sehe vor allem drei Bereiche, in denen wir Interessen und Werte teilen und die für eine Zusammenarbeit wie geschaffen sind. Als erstes wäre die internationale Sicherheit zu nennen. Sowohl die Philippinen als auch Europa glauben an eine globale Ordnung, die auf den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen beruht, wie der Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit jedes Landes. Und diese Weltordnung ist nun bedroht, sowohl hier als auch bei uns. Zweitens der wirtschaftliche Wandel. Wir modernisieren unsere Volkswirtschaften, wobei der ökologische und der digitale Wandel im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig verringern wir unsere Handels- und Investitionsrisiken. Europa und die Philippinen sind mehr denn je natürliche Wirtschaftspartner. Und drittens die Werte der Demokratie. Denn wirtschaftlicher Fortschritt kann nur mit sozialem Fortschritt für alle Menschen in unseren Gesellschaften einhergehen. Lassen Sie mich mit der Sicherheit beginnen. Die Philippinen haben als Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, des ASEAN und der Welthandelsorganisation am Aufbau einer regelbasierten Weltordnung mitgewirkt. Und im vergangenen Jahr haben Sie sich für die Aufrechterhaltung dieser Weltordnung eingesetzt, als Russland seine Panzer in die Ukraine schickte. Sowohl die Europäische Union als auch die Philippinen haben – zusammen mit mehr als 140 Ländern – den Angriffskrieg Russlands gegen ein souveränes, unabhängiges Mitglied der Vereinten Nationen deutlich verurteilt. Und wir Europäer werden die Ukraine weiterhin unterstützen und die Charta der Vereinten Nationen so lange wie nötig verteidigen. Ein anderes ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – China – bleibt jedoch aufgerufen, seiner Verantwortung gemäß der Charta der Vereinten Nationen zur Wahrung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine uneingeschränkt nachzukommen. Gleichzeitig tritt China in Südostasien immer machtbewusster auf. Europa hat China wiederholt aufgefordert, die Hoheitsrechte der Staaten in ihren ausschließlichen Wirtschaftszonen zu achten. Chinas Demonstration militärischer Stärke im Süd- und Ostchinesischen Meer und in der Taiwanstraße betrifft unmittelbar die Philippinen und unsere anderen Partner in der Region. Sie könnte aber auch globale Auswirkungen haben. Und jegliche Schwächung der regionalen Stabilität in Asien, der am schnellsten wachsenden Region der Welt, beeinträchtigt die globale Sicherheit, den freien Handel und unsere eigenen Interessen in der Region. Unabhängig davon, ob wir über die Ukraine oder über das Südchinesische Meer sprechen: Unsere Sicherheit ist miteinander verknüpft. Aus diesem Grund hat die EU ihr Engagement im indopazifischen Raum verstärkt. Wir wollen einen freien und offenen Indopazifik fördern, die Achtung des Völkerrechts stärken und globale Herausforderungen angehen. Mit den Philippinen vertiefen wir unsere Sicherheitspartnerschaft, insbesondere im Bereich der maritimen Sicherheit und im Cyberbereich. Und wir wollen noch mehr tun. Meine Damen und Herren, unsere Nachbarn können wir uns nicht aussuchen, aber wir können uns aussuchen, mit wem und unter welchen Bedingungen wir Geschäfte machen. Dies bringt mich zu meinem zweiten Punkt. Wir Europäer haben einen klaren Blick, wenn es darum geht, unseren Handel und unsere Investitionen zu diversifizieren und Risikominderung zu betreiben. In Bezug auf Russland haben wir einen Fehler gemacht und geglaubt, wir könnten unsere geopolitischen Differenzen durch wirtschaftliche Verflechtungen überwinden. Vor der Invasion der Ukraine war Europa in hohem Maße auf Energieeinfuhren aus Russland angewiesen. Als der Kreml den Krieg begann, versuchte Russland, uns zu erpressen, indem es seine Gaslieferungen zurückfuhr. Sie gingen innerhalb von acht Monaten um 80% zurück. Das hatte eine schwere Energiekrise zur Folge, aber wir haben standgehalten. Wir haben Energie gespart, sind auf gleichgesinnte Partner als Lieferanten umgestiegen und haben massiv in heimische erneuerbare Energien investiert. Heute stehen wir stärker und unabhängiger da. Und wir haben unsere Lektion gelernt. Den gleichen Fehler werden wir nicht noch einmal machen. Was die wichtigsten für unsere Wettbewerbsfähigkeit benötigten Vorprodukte betrifft, wie kritische Rohstoffe, sollten wir niemals auf einen einzigen Lieferanten setzen. Dieser Grundsatz steht im Zentrum unserer Risikominderungsstrategie. Und ich weiß, dass dies nicht nur die europäische Strategie ist. Die Philippinen exportieren beispielsweise 90% ihres Nickelerzes nach China, anstatt es innerhalb des Landes zu verarbeiten, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und einen Mehrwert zu generieren. Dies kann sich jedoch ändern. Auch deswegen bin ich heute hier in Manila. Die Philippinen und die EU haben die große Chance, ihre Partnerschaft sowohl im Handels- als auch im Investitionsbereich zu intensivieren. Lassen Sie mich zunächst auf den Bereich der Investitionen eingehen. Europa hat gerade einen Plan zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen in strategischen Sektoren in Partnerländern auf den Weg gebracht. Im Rahmen dieser Initiative, Global Gateway genannt, haben wir für den ASEAN für den Zeitraum bis 2027 ein Investitionspaket in Höhe von 10 Mrd. EUR an öffentlichen Mitteln vorgelegt. Aber es geht nicht nur um das Geld an sich, sondern auch um die Art und Weise. Die europäischen Investitionen sind mit den höchsten Standards für Umwelt und Arbeitsplatzqualität verbunden, und ihr Schwerpunkt liegt auf der Schaffung lokaler Wertschöpfungsketten. Lassen Sie mich als Beispiel die Rohstoffe anführen. Im Gegensatz zu anderen ausländischen Investoren wollen wir nicht nur in die Rohstoffgewinnung investieren. Vielmehr können wir Sie auch beim Aufbau lokaler Verarbeitungskapazitäten unterstützen, die von einer neuen Infrastruktur aus sauberer Energie gespeist werden. Im Rahmen von Global Gateway sollen hier vor Ort hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden, da dies auch unsere Lieferketten stärkt. Global Gateway soll Investitionen fördern, die die philippinischen Wirtschaftstätigkeiten in der Wertschöpfungskette weiter nach oben bringen. Und wir freuen uns dabei auf die Zusammenarbeit mit der Asiatischen Entwicklungsbank, die hier in Manila ansässig ist. Sie sind die Experten in der Region, und wir verfolgen ähnliche Prioritäten. Es ist also nur natürlich, dass wir Hand in Hand arbeiten. Die Philippinen sind auch dafür prädestiniert, im Bereich der digitalen Innovation eine führende Position einzunehmen. Im philippinischen Risikokapitalbericht von 2023 wurde eine massive Zunahme neuer Start-up-Unternehmen festgestellt. Allein in den letzten drei Jahren ist der Marktwert im elektronischen Geschäftsverkehr um 33% gestiegen. Das Alter der Menschen auf den Philippinen liegt um fünf Jahre unter dem weltweiten Durchschnitt. Es überrascht also nicht, dass Ihre Wirtschaft so dynamisch ist. Die Philippinen können zu einem neuen digitalen Drehkreuz in der Region werden. Doch wie ihre Kolleginnen und Kollegen überall auf der Welt benötigen auch philippinische Unternehmer und Unternehmerinnen Infrastrukturinvestitionen. Hier kann Global Gateway wirklich etwas bewirken. Und wir sind bereits vor Ort, oder besser gesagt, im Weltraum. Gemeinsam mit der philippinischen Weltraumbehörde bauen wir das erste Erdbeobachtungssystem in Südostasien auf. Gleichzeitig investiert Nokia in die 5G-Infrastruktur. Inwiefern ist dies für philippinische Innovatoren von Bedeutung? Weil die europäischen Copernicus-Satelliten hier auf den Philippinen für weltraumgestützte Dienste zur Verfügung gestellt werden, z. B. für die Katastrophenvorsorge mit Blick auf Taifune oder für die Satellitennavigation, die für die Luftfahrt, Drohnen und das autonome Fahren von grundlegender Bedeutung ist. Diese Dinge sind Teil eines umfassenderen Pakets zur digitalen Wirtschaft, das wir derzeit mit der Regierung aushandeln. Wir prüfen sogar eine mögliche Verlängerung des neuen Glasfaser-Unterseekabels, das Europa über die Arktis mit Japan verbinden wird. Wir würden eine direkte Datenverbindung zwischen unseren Regionen schaffen, um Risiken zu mindern und neue Chancen für die Volkswirtschaften auf beiden Seiten zu eröffnen. Neue Investitionen könnten auch den Weg für mehr Handel zwischen Europa und den Philippinen ebnen. Die EU ist Ihr viertgrößter Handelspartner, auf den fast 8% Ihres Handels entfallen. Grund dafür ist unser derzeitiges Handelspräferenzsystem. Allerdings bieten unsere Handelsbeziehungen noch viel ungenutztes Potenzial. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Vor einigen Monaten war ich in Südkorea. Dort konnte ich mir ein Bild von den beeindruckenden positiven Auswirkungen des von uns geschlossenen Handelsabkommens machen. In etwas mehr als einem Jahrzehnt hat sich der Handel der EU mit Korea mehr als verdoppelt. Das wird erreicht, wenn man es Menschen und Unternehmen ermöglicht, über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Es öffnen sich neue Türen für Innovationen. Und am wichtigsten ist: Die Menschen profitieren davon. Lassen Sie uns also voranschreiten. Unsere Handelsabkommen mit Singapur und Vietnam zeigen bereits Ergebnisse. Und Europa möchte Freihandelsabkommen mit weiteren ASEAN-Ländern schließen. Wie Präsident Marcos vertrete auch ich die Ansicht, dass der Zeitpunkt und die Bedingungen reif sind, unsere bilateralen Handelsbeziehungen zu festigen. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den Philippinen und der EU wieder aufzunehmen. Unsere Verhandlungsteams werden sofort einen Sondierungsprozess einleiten, um zu ermitteln, wie wir verbleibende Lücken schließen können, bevor wir an den Verhandlungstisch zurückkehren können. Dies dürfte nicht länger als einige Monate dauern. Lassen Sie uns diese Gelegenheit beim Schopf ergreifen und dafür sorgen, dass wir vorankommen. Bei Handelsabkommen geht es heute um viel mehr als die Abschaffung von Zöllen und Kontingenten. Es geht um gemeinsame Vorhaben, Werte und Grundsätze, auch in Bezug auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte. Und damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Unsere Demokratien sind alle – ohne Ausnahme – in einem stetigen Entwicklungsprozess begriffen. Keine von ihnen ist perfekt. Aber ihnen allen ist die Fähigkeit eigen, sich zu verbessern. Ihre neue Regierung hat hier auf den Philippinen einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Menschenrechtslage unternommen. Jede unserer Demokratien hat ihr eigenes Wesen. Aber wir alle teilen dieselben universellen Werte und bewegen uns in dieselbe Richtung. Der Weg zu einer besseren Demokratie ist ein Weg, den wir zusammen beschreiten können und sollten. Meine Damen und Herren, die Philippinen und die Europäische Union mögen sich auf den entgegengesetzten Seiten des Globus befinden, aber unsere Geschicke sind mehr denn je miteinander verbunden. Sichtbar wird dies an Themen wie der Geopolitik und dem Klimawandel. An der Verflechtung unserer Wertschöpfungsketten. Wir haben ähnliche Ansichten im Hinblick auf den indopazifischen Raum. Und wir haben starke wirtschaftliche Beziehungen. Europa möchte ein verlässlicher Partner für die Philippinen sein, wenn es sein wirtschaftliches Potenzial weiterentwickelt. Wir wollen Partner auf Augenhöhe sein. Partner, für die die Menschen und ihre Werte an erster Stelle stellen. Nachdem ich hier auf den Philippinen so viele wunderbare Menschen getroffen habe, die stolz auf ihr Land sind, hart arbeiten und bescheiden sind, sehe ich voller Erwartung dem entgegen, was wir gemeinsam erreichen können. Ich weiß, dass Sie stolz auf Ihren Gemeinschaftsgeist, den „Bayanihan spirit“, sind. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir – die Philippinen und die Europäische Union – im gleichen Geist zusammenarbeiten können. Salamat, vielen Dank und Ihnen allen einen tollen Abend.
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Präsidentin der Europäischen Kommission
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