Diplomacy
Rede von Außenminister Alexander Schallenberg bei der 241. Sitzung des Nationalrats zum Terrorangriff der Hamas auf Israel
 
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Diplomacy
 
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First Published in: Nov.24,2023
Dec.01, 2023
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Ich will Ihnen nur sagen, dass ich dankbar bin. Dankbar für diesen einstimmigen Beschluss im Hohen Haus. Das ist ein wirklich wichtiges Signal, das auch mich in meiner Position stärkt. Wir dürfen nie vergessen: Der 7. Oktober war wirklich ein Zivilisationsbruch. Das war in seiner Grausamkeit ein Tag, der eigentlich alles in den Schatten gestellt hat. In einer Region, die schon so nicht arm ist an Grausamkeiten. Ich werde nie vergessen, als ich am besagten Samstag einen Anruf mit der Frage erhalten habe: Herr Bundesminister, wie gut sind Ihre Magennerven? Und ich habe ja gesagt, sie sind gut. Und dann wurden mir Videos und Fotos geschickt, bei denen man gewusst hat, dass sie authentisch sind. Diese Bilder werden mich nie wieder verlassen. Das letzte Mal, als ich etwas Ähnliches gesehen habe, war das im Zusammenhang mit den Videos von Daesh. Die Grausamkeit, dieser Blutrausch, die Entmenschlichung. Und ich bin daher sehr dankbar, dass wir hier in Österreich eine so klare Position haben. Ich glaube, dass jeder von uns dazu aufgerufen ist, bei Terrorismus – ganz egal wo, ganz egal wie – eine klare Position zu haben. Mord ist Mord! Da darf man nicht etwas in den Kontext stellen, weil das heißt relativieren. Es ist noch nie in der Menschheitsgeschichte ein Konflikt aus dem heiteren Himmel gefallen. Es gibt immer eine Vorgeschichte, für alles. Auch für den russischen Angriff auf die Ukraine, den wir auch nicht in den Kontext gestellt haben. Und selbstverständlich gilt das humanitäre Völkerrecht. Aber das ist genau der Unterschied – und das haben mehrere Abgeordnete unterstrichen –, dass Israel ein Rechtsstaat, eine pluralistische Demokratie ist. Sie ringt, sie versucht den richtigen Weg zu finden. Und der Abgeordnete Matznetter hat es auch gesagt: Man will gar nicht in den Schuhen der IDF stecken. Weil es ja fast eine unmenschliche Aufgabe ist, in so einer Situation voller Emotionalität auch noch kühlen Kopf zu bewahren. Ja, sie werfen Flugblätter ab. Ja, sie warnen. Sie rufen zu Evakuierung auf. Sie versuchen, die zivilen Opfer auf ein Minimum zu drücken. Und ja, wir sehen, was wir eigentlich immer schon gewusst haben, dass die Hamas ganz bewusst zivile Einrichtungen wie Schulen, Flüchtlingslager, Krankenhäuser und anderes für ihre Kommandozentralen, Tunneleingänge verwendet, um dort ihre Waffen zu verstecken. Das heißt, man hat als Demokratie, als Rechtsstaat im Kampf gegen den Terrorismus in Wirklichkeit immer eine Hand hinter dem Rücken gebunden. Das ist aber auch richtig so, das muss so sein. Man sieht an Israel, dass sie es versuchen. Drei Punkte haben jetzt Priorität: Der erste Punkt ist die Vermeidung eines Flächenbrandes. Der ist weiterhin nicht gebannt. Es könnte am Ende ein Dreifrontenkrieg werden. Wir beobachten natürlich die Entwicklungen in Nordisrael bzw. im Südlibanon mit der Hisbollah sehr genau. Aber, und das will ich hier auch ganz besonders betonen: Österreich ist nicht mit einem Auge blind, wir sehen mit beiden Augen. Das betrifft das Westjordanland. Und ich muss ganz offen sagen: Die Siedlergewalt, die wir im Westjordanland sehen, halte ich für unerträglich. Auch unsolidarisch. Wir haben es gerade mit einer Situation zu tun, in der die israelische Armee bis zum Anschlag gefordert ist. Und dann halte ich es innerhalb der israelischen Gesellschaft für unsolidarisch, wenn einige glauben, ihrer Wut, ihrer Emotion Luft zu machen und im Westjordanland zu zündeln. Das könnte zu einer dritten Front führen. Da müssen wir sehr deutliche Worte finden. Der zweite Punkt ist natürlich – es wurde schon mehrmals erwähnt – die bedingungslose Freilassung der Geiseln. Ich hatte vergangene Woche die Gelegenheit, einige der Überlebenden vom 7. Oktober hier in Wien zu treffen. Das ging einem wirklich unter die Haut. Wenn man einen Vater trifft, der einem sagt, dass er eigentlich fast erleichtert ist, weil sein Kind unter den Toten ist und nicht unter den Geiseln, dann kann man es sich nur schwer vorstellen, was das für diese Menschen bedeuten muss. Wir müssen da drauf bleiben. Das ist eine Terrororganisation, da kann es kein Wenn und Aber geben. Da kann es keine Verhandlungen geben. Sie haben die Geiseln bedingungslos freizulassen. Der dritte Punkt – das ist mir auch wichtig: Ich habe ja selber als einer der ersten Minister die Entwicklungszusammenarbeit mit Palästina auf Eis gelegt und eine Evaluierung angeordnet. Wir wollen die Hamas nicht unterstützen. Gleichzeitig wollen wir aber auch nicht, dass die Zivilbevölkerung Not leidet. Das wäre wieder fruchtbarer Boden für den nächsten Extremismus. Daher haben wir 2 Mio. Euro über die Austrian Development Agency für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Weitere 6 Mio. Euro für die Region – für Syrien, Libanon und Jordanien -, die natürlich Gefahr laufen, destabilisiert zu werden. Ich finde es gut, dass die Europäische Union die humanitäre Hilfe vervierfacht hat. Aber, und wir haben den Bericht der Europäischen Kommission betreffend die Entwicklungszusammenarbeit vor wenigen Tagen gesehen, ich glaube, wir dürfen nicht naiv sein. Wir werden uns in Österreich in Zukunft ganz genau ansehen, mit welchen Partnerorganisationen – egal ob in Gaza oder Israel, Mali, Burkina Faso, Mosambik – wir zusammenarbeiten. Was steht auf ihren Websites? Was sagt der Dachverband, in dem sie verbunden sind? Gibt es da Rassismus, gibt es Antisemitismus? Gibt es Linien, die wir aufgrund unseres Wertekanons nicht unterstützen können? Das ist auch für mich eine Lehre des grauenhaften Zwischenfalls vom 7. Oktober. Wir müssen in Zukunft viel genauer hinsehen, wem wir genau wie helfen. Danke sehr!
Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen sind ausschließlich die des Autors und geben weder die Sichtweise oder den Standpunkt von World and New World Journal noch die Meinung unserer Mitarbeiter wieder. World and New World Journal übernimmt keine Verantwortung für die in diesem Artikel dargestellten Inhalte, Meinungen oder Informationen. Die Leser werden aufgefordert, mehrere Quellen und Standpunkte zu berücksichtigen, um ein umfassendes Verständnis des Themas zu erlangen. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis.
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        			Außenminister der Republik Österreich Bildquelle: Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons
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