Diplomacy
Klarer Sieg für Präsident Noboa

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First Published in: Apr.14,2025
Apr.21, 2025
Ecuador zeigt einer möglichen Rückkehr des Correísmo die rote Karte
Daniel Noboa bleibt Präsident Ecuadors. Mit einem überraschend klaren Ergebnis von über elf Prozent Vorsprung konnte der junge Staatschef die Stichwahl um das höchste Staatsamt gegen seine linkspopulistische Herausforderin Luisa González für sich entscheiden. Die Weigerung der Verliererin, ihre Niederlage anzuerkennen, belegt einmal mehr die große Polarisierung im Land. Nach einer friedlich abgelaufenen Wahl sind diese Spaltung in zwei Lager neben der Eindämmung der organisierten Kriminalität und der schwierigen wirtschaftlichen Lage die größten Herausforderungen für den Wahlsieger.
Als der Nationale Wahlrat nur wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale am 13. April eine „unumstößliche Tendenz“ zugunsten von Präsident Daniel Noboa verkündete, brach bei den dessen Anhängern großer Jubel aus. Besonders groß war dieser, da der Sieg mit 55,65 zu 44,35 Prozent nach über 99 Prozent der ausgezählten Stimmen viel deutlicher ausfiel als von allen Umfragen vorhergesagt. Das erwartete knappe Wahlergebnis hatte allgemein zur Sorge Anlass gegeben, die Wahl könnte durch Wahlanfechtungen ein unangenehmes und für die ecuadorianische Demokratie schädliches Nachspiel mit sich ziehen.
Das starke Ergebnis von Amtsinhaber Daniel Noboa steht außer Frage, darf jedoch nicht als totale Zustimmung der Wählerschaft für Noboas Politik gelesen werden. Es zeigt vielmehr deutlich, dass die Ecuadorianer bei aller Kritik an der Regierung keinesfalls zum „Sozialismus des XXI. Jahrhunderts“ und seiner ecuadorianischen Gallionsfigur Rafael Correa, aus dessen alles vereinnahmendem Schatten die unterlegene Präsidentschaftskandidatin Luisa González nicht heraustreten konnte, zurückkehren wollen. Der Widerstand gegen die Anerkennung des Wahlergebnisses seitens des Correismo in der Wahlnacht erscheint ob des klaren Vorsprungs Noboas von mehr als einer Million Wählerstimmen mehr als fragwürdig.
Der Wahlkampf
Während sich Noboa im Vorfeld der Stichwahl klar zur Beibehaltung des Dollars als Zahlungsmittel, einer weiteren Öffnung hin zu den USA und zum unerbittlichen Kampf gegen das organisierte Verbrechen bekannte, stand González für einen gänzlich anderen Kurs. Sie stellte die Dollarisierung Ecuadors infrage, schlug eine Anerkennung des Maduro-Regimes in Venezuela mit Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehung vor und wollte im Hinblick auf den Kampf gegen die Drogenkriminalität eher dem Beispiel des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel Lopez Obradors folgen, der mit seiner Politik „abrazos, no balazos“ ( „Umarmungen, keine Kugeln“) eher eine Scheinbefriedung und einen Modus Vivendi mit den Drogenbanden herbeiführte, als das Thema wirklich anzugehen.
Der Unternehmersohn Daniel Noboa, der dank einer außerordentlichen Wahl nach dem Aus der Regierung von Ex-Präsident Guillermo Lasso erst seit November 2023 regiert, zeichnete sich in seiner kurzen Regierungszeit seit November 2023 dagegen durch einen pragmatischen Ansatz aus. Seine Regierung gab konkreten und öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen insbesondere bei der Kriminalitätsbekämpfung den Vorrang vor ideologischen Diskursen. Aufgrund der kurzen Amtszeit waren viele seiner Handlungen jedoch eher von Wahlkampftaktik als von Strategie geprägt. Im Gegensatz dazu hatte Luisa González versucht, ihr Programm mit dem Erbe des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa zu verbinden, dabei jedoch gewisse Nuancen und strategische Distanzierungen vorgenommen. Insbesondere gab sie sich kritisch zum Kommunikationsgesetz (auch als „Maulkorbgesetz“ bekannt), welches während der Amtszeit Rafael Correas (2007-2017) als Grundlage für die Verfolgung von Journalisten und Medien genutzt worden war.
In den Wochen vor der Stichwahl lag dann der Fokus des Wahlkampfs auf den Themen Wirtschaft, Sicherheit und organisiertes Verbrechen. Dabei wurde nicht mit gegenseitigen Anschuldigungen gespart und allzu oft hatte die Polemik Vorrang vor Argumenten. Dabei wären Konzepte angesichts einer weiterhin katastrophalen Sicherheitslage, in der stündlich Menschen gewaltsam ihr Leben verlieren und die Entführungsraten im Land im Vergleich von 2023 zu 2024 um 73.9% gestiegen sind,[i] dringend nötig.
Geschicktes Marketing
Nachdem im ersten Wahlgang vor allem die junge Wählerschaft zwischen 18 und 29 Jahren war, die mehrheitlich für den 37 Jahre jungen Noboa gestimmt hatten, scheinen dieses Mal auch die älteren Bevölkerungsgruppen den Präsidenten gewählt zu haben. Die allgemeine Wahlbeteiligung lag bei 83.76% und damit rund zwei Prozentpunkte höher als beim ersten Wahlgang.
In einem Land, in dem viele Menschen das Vertrauen in die Politik und seine Repräsentanten verloren haben, scheint Noboa für sie trotzdem weiter die Hoffnungen auf eine Überwindung der Missstände, der überholten Eliten und des Correísmo zu sein. Mit seiner Präsenz in den sozialen Medien und einer erneuten Selbstinszenierung mit riesigen, im Land verteilten Pappmaché-Figuren, gelang ihm einmal mehr eine starke öffentliche Präsenz. Menschen allen Alters und aller sozialer Schichten sah man etwa in der Hauptstadt Quito durch die Straßen ziehen und Selfies mit den Pappmaché-Noboas machen, die dann in den sozialen Netzwerken millionenfach geteilt wurden.
Mit derartigen Marketing-Tricks, seinem entschlossenen und jugendlichen Auftreten und der Angst weiter Teile Ecuadors vor einer Rückkehr des Correísmo konnte Noboa seinen Vorsprung im Vergleich zur praktisch unentschieden ausgegangenen ersten Wahlrunde am 9. Februar ausbauen und fünf Provinzen gewinnen, die zuvor an Luisa González gegangen waren - El Oro, Guayas, Imbabura, Orellana und Santo Domingo de los Tsáchilas.
Große Baustellen
Noboas Wahlsieg bedeutet für Ecuador und seinen alten und neuen Präsidenten jedoch nur eine kurze Atempause in einer weiterhin angespannten Situation. Die Herausforderungen sind weiterhin enorm. So ist die im Februar gewählte neuen Nationalversammlung in zwei große Blöcke geteilt, die Noboa und González (bzw. Correa) unterstützen. Dazu kommen einige kleinere Blöcke und Einzelabgeordnete, auf deren Unterstützung Noboa mangels einer eigenen Mehrheit angewiesen sein wird. Noboa wird Handlungsgeschick beweisen und überzeugende staatspolitische Vorschläge machen müssen, um eine dem Gemeinwohl dienende Regierungsführung hinzubekommen. Die Zukunft des Landes wird davon abhängen, wie gut es gelingt, Konsenspunkte zu identifizieren und die strukturellen Herausforderungen anzugehen. In diesem Zusammenhang bieten technische und parteiunabhängige Initiativen, die es schaffen, die nationalen Prioritäten des Landes zu bündeln, eine Chance.
Ein Staatsdefizit von mehr als fünf Milliarden US-Dollar, hohe Auslandsschulden und zu wenig nachhaltige Einnahmequellen für den Staat werden das Regieren schwer machen. Es steht zudem eine Schuldenrückzahlung sowie schwierige Neuverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über die weitere Gewährung von Krediten ins Haus. Es muss daher auch Ziel der neuen Regierung sein, Arbeitsplätze zu schaffen und die Menschen in reguläre Beschäftigung zu bekommen. Weiterhin leben rund 70 Prozent der Bevölkerung vom informellen Sektor. Anders ausgedrückt, nur rund 30 Prozent der Bevölkerung arbeiten im Kontext eines formellen Arbeitsverhältnisses und zahlen regelmäßig Steuern.
Ebenso muss der Präsident eine kohärente Strategie für die Neuordnung des Energiesystems entwickeln, um stundenlange Stromausfälle, die das Land im letzten Jahr plagten, künftig zu vermeiden. Ein hauptsächlich von Wasserenergie abhängiges Versorgungssystem, marode Infrastruktur und fehlende Diversifizierung des Energiemixes hängen wie ein Damoklesschwert über dem Präsidenten und könnten ihm schon bald den Unmut der Bevölkerung entgegenbringen.
Nicht zuletzt muss die Noboa-Regierung das enorme Sicherheitsproblem, das mit dem organisierten Verbrechen und verschiedenen Formen illegaler Wirtschaftsformen in Zusammenhang steht, in den Griff bekommen. Dabei wird die Unterstützung der USA und der internationalen Zusammenarbeit allgemein eine erhebliche Rolle spielen. Hinzukommen muss jedoch auch eine klare und nachhaltige Strategie für Anti-Mafia-Gesetze seitens der Regierung. Es braucht dabei auch konkrete Vorschläge zur Entfernung krimineller Elemente aus Organen des zu Teilen unterwanderten staatlichen Sicherheitsapparates.
Ausblick
Für Europa und Deutschland bedeutet der Sieg Noboas und die damit verbundene vierjährige Amtszeit eine große Chance, über koordinierte Kooperation mit internationalen Verbündeten das Phänomen des organisierten Verbrechens strukturiert und zielgerichtet anzugehen. Noboa will seine Agenda näher an die USA anbinden, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Handel. Was die Europäische Union betrifft, so kann auch hier eine Stärkung der Zusammenarbeit und der Investitionen etwa im Umwelt- und Energiebereich für eine zukünftige positive multilaterale Ausrichtung seiner Regierung entscheidend sein. Ein Hoffnungszeichen ist die deutliche Unterstützung Noboas für die von EUROPOL zur Hafensicherheit ins Leben gerufene Initiative sowie EU-Projekte zur Förderung einer umfassenden Gefängnisreform und Mafia-Bekämpfung.
Mit einer Kooperation in Handels-, Wirtschafts- und Sicherheitsfragen könnte Ecuador als stabiler Partner in der Andenregion gegenüber linksautoritären Systemen wie Kuba, Venezuela oder Nicaragua gewonnen werden. Im Kampf gegen den Drogenhandel und die organisierte Kriminalität, insbesondere vor dem Hintergrund, dass über 70 Prozent aller Kokainexporte über ecuadorianische Häfen nach Europa gelangen, ist dies von besonderer Bedeutung. Ohne ein klares ethisches Bewusstsein der Europäer für das Drama und die Auswirkungen des Drogenhandels in Ecuador und Lateinamerika wird sich die Situation im Andenland jedoch nicht verbessern, sondern aufgrund des Nachfrage-Effekts vielmehr verschärfen, mit allen sozialen und gewaltbesetzten Konsequenzen für die Bevölkerung.
Ein Lackmustest für die Handlungsfähigkeit von Daniel Noboa könnte sein Versprechen sein, einen neuen Verfassungsprozess zu starten. Die ecuadorianischen Institutionen werden immer noch durch das autoritäre Erbe der immer noch gültigen Verfassung von Rafael Correa gehemmt. Ein transparenter Prozess unter der Beteiligung der Zivilgesellschaft könnte Noboa Legitimität verleihen und dem Land helfen, das Correa-Erbe endgültig hinter sich zu lassen.
Referenzen
[i] Un asesinato por hora desde el 1 de enero: Ecuador vive el inicio de año más violento desde que hay registros.
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Seit Januar 2023 leitet Johannes Hügel das Ecuador-Büro mit Sitz in Quito. Herr Hügel ist seit mehr als sieben Jahren für die KAS im In- und Ausland tätig. Zuletzt war er von 2019-2022 als Berater für Spezial- und Querschnittsthemen in der Lateinamerika-Abteilung tätig und verantwortete dort die Länderprojekte Peru und Ecuador sowie das Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war der Einfluss Chinas in Lateinamerika. Zuvor war Herr Hügel von 2015-2019 als wissenschaftlicher Koordinator für den Multinationalen Entwicklungsdialog der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel tätig. Dort verantwortete er in enger Abstimmung mit dem KAS-Globalprogramm Klima und Energie die Themenbereiche Energie, Klima und Umwelt.
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